Pressemitteilung, , Gütersloh: Deutsche sagen "Ja" zu Europa - fordern aber mehr direkte Beteiligung

Umfrage der Bertelsmann Stiftung: Sehr geringe Kenntnis über diesjährige Europawahl

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Dass am 7. Juni die Zusammensetzung des Europa-Parlaments für eine fünfjährige Legislaturperiode bestimmt wird, ist wenig bekannt: 69 Prozent der Befragten wissen nicht, dass die Wahlen in diesem Jahr stattfinden. Nur 9 Prozent können den Monat Juni als Zeitraum der Wahl angeben. Vor allem jüngere Bürger bis 39 Jahre sind darüber zu rund 80 Prozent nicht unterrichtet.

Gleichwohl gaben bei der Umfrage der Bertelsmann Stiftung 43 Prozent an, sie würden mit Sicherheit wählen gehen. 24 Prozent schließen dies kategorisch aus oder wollen "wahrscheinlich nicht" wählen; 31 Prozent können sich eine Teilnahme vorstellen.

Während die absehbare Wahlbeteiligung danach niedrig ausfallen dürfte, fordern viele Deutsche mehr Mitspracherechte in der Europäischen Union (EU). Drei von vier Bürgern befürworten europaweite Volksbegehren, wie im Vertrag von Lissabon vorgesehen. Fast ebenso viele Befragte (69 Prozent) sprechen sich dafür aus, künftig einen Präsidenten der EU in direkter Wahl zu küren.

Jeder Fünfte bezeichnet seine Bereitschaft sich für Europa zu engagieren als stark oder sehr stark. 44 Prozent können sich mehr Engagement prinzipiell vorstellen, sehen aber bisher kaum Möglichkeiten dazu. 35 Prozent sagen offen, dass ihre Bereitschaft dazu nur schwach ausgeprägt sei.

Angesichts der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise sehen die Bürger in der EU einen Stabilitätsfaktor. 61 Prozent der Befragten wünschen einen größeren Einfluss der EU als heute, um in zehn Jahren wirtschaftlich und politisch besser dazustehen. 32 Prozent denken, dass weniger Einfluss besser wäre.

Gleichzeitig erwarten die Bürger auch generell eine wachsende Bedeutung der EU. 47 Prozent der Befragten nehmen an, dass Europa in den kommenden zehn Jahren noch enger zusammenwachsen wird in Richtung "Vereinigte Staaten von Europa". 40 Prozent erwarten keine substanzielle Veränderung zur jetzigen Situation und nur 11 Prozent nehmen an, dass die einzelnen Mitgliedstaaten wieder wichtiger werden als heute.

Nach Ansicht von Dr. Robert Vehrkamp, Leiter des Programms "Europas Zukunft" der Bertelsmann Stiftung, zeigen diese Ergebnisse, dass die Bürger der EU eine wichtige Rolle zur Bewältigung der aktuellen Krise zuschreiben: "Wann genau die nächsten Europawahlen sind, ist wenig bekannt. Aber die Bürger erwarten und wünschen dennoch mehr Einfluss der EU. Die Europäische Union ist nicht in der Krise. Sie funktioniert – und die Bürger wissen das. Aber mehr Enthusiasmus gegenüber der EU und Engagement für sie wird es nur geben, wenn die Bürger neue demokratische Beteiligungsmöglichkeiten bekommen."

Vehrkamp weiter: "In den vergangenen Jahren hat sich kein Politiker mehr getraut, das Wort von den 'Vereinigten Staaten von Europa' in den Mund zu nehmen. Die Bürger sind aber sehr realistisch. Sie wissen genau, dass die einzelnen Nationalstaaten zu klein sind, um in der Welt zu bestehen. Obwohl derzeit in der Finanzkrise jeder Mitgliedstaat auf seine eigenen Interessen schielt: Europa wird noch enger zusammenwachsen und in Zukunft mit einer Stimme in der Welt sprechen müssen."

Mehr Beteiligung der Bürger an der Europa-Politik ist auch das Ziel eines neuen Projektes der Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit der Heinz-Nixdorf-Stiftung. In der kommenden Woche startet das "BürgerForum Europa". Dazu wurden 350 Bürger aus Deutschland ausgewählt, die den Querschnitt der Bevölkerung abbilden und in den kommenden Monaten ihr BürgerProgramm für Europa entwickeln. Dazu wurde eigens eine Online-Diskussionsplattform entwickelt, in der die Bürger in virtuellen Ausschüssen zusammenarbeiten. Am kommenden Freitag, den 13. Februar 2009, stellt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel den Teilnehmern bei der Auftaktveranstaltung in Berlin, um mit ihnen ihre Erwartungshaltung und Möglichkeiten der Mitwirkung zu diskutieren.