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„Erlesenes“ ist ein zweiwöchentlicher Newsletter von reframe[Tech] - Algorithmen fürs Gemeinwohl und bietet eine kuratierte Auswahl an wissenschaftlichen Studien, journalistischen Artikeln und Debattenbeiträgen sowie Fundstücken mit Augenzwinkern aus sozialen Medien zum Themenkomplex Algorithmen und KI. Mit „Erlesenes“ wollen wir den Diskurs rund um algorithmische Entscheidungssysteme und ihre Chancen sowie Risiken für das Gemeinwohl einordnen, wir möchten den Blick über den Tellerrand wagen und Perspektiven fernab des dominierenden Diskurses aufgreifen. So wollen wir die Abonnent:innen in dem sich rasch verändernden Themenfeld up-to-date halten. Jede Ausgabe finden Sie auch auf unserem Blog.
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Liebe Leser:innen,
was haben Papst Leo XIV., philippinische Sprachaktivist:innen und das britische Oberhaus gemeinsam? Sie alle stellen sich der Frage, wie wir Künstliche Intelligenz (KI) gestalten wollen – nicht nur technisch, sondern ethisch, sozial und politisch. Deswegen schlagen wir in dieser Erlesenes-Ausgabe den Bogen von Rom nach Westminster: Zum einen geht es um die symbolische Bedeutung des neuen Papstnamens und der Verbindung zur sozialen Frage in Zeiten zunehmender Integration von KI in unsere Arbeitswelt. Zum anderen zeigt ein Artikel, welche Ansätze es gibt, mithilfe kleinerer Sprachen die Machtasymmetrien in der Entwicklung von KI-Systemen anzugehen. Und ein Beitrag thematisiert die Forderung des britischen Oberhauses, dass KI-Firmen offenlegen sollen, welche urheberrechtlich geschützten Werke sie beim Training verwenden. Außerdem: ein Plädoyer dafür, KI als das zu betrachten, was sie ist: eine von vielen Technologien.
Viel Spaß beim Lesen wünschen
Elena und Teresa
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Die Meinungen in den Beiträgen spiegeln nicht zwangsläufig die Positionen der Bertelsmann Stiftung wider. Wir hoffen jedoch, dass sie zum Nachdenken anregen und zum Diskurs beitragen. Wir freuen uns immer über Feedback – der Newsletter lebt auch von Ihrer Rückmeldung und Ihrem Input. Melden Sie sich per E-Mail an teresa.staiger@bertelsmann-stiftung.de oder bei LinkedIn unter @reframe[Tech] – Algorithmen fürs Gemeinwohl.
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Bürger:innen gestalten KI mit
Co-Designing AI Systems with Value-Sensitive Citizen Science, SSNR, 7.5.2025
Ein neuer Forschungsansatz will Bürgerinnen und Bürger nicht nur als Endnutzer:innen, sondern als aktive Mitgestalter:innen von KI-Systemen einbinden. Dazu haben Forscher:innen ein Rahmenwerk namens VSCS (Value-Sensitive Citizen Science, Werteorientierte Bürgerwissenschaft) entwickelt. Dieses verbindet zwei bisher getrennte Welten: Werteorientiertes Design (VSD, Value-Sensitive Design), bei dem ethische Werte in Technologie eingebettet werden, und Bürgerwissenschaft, bei der Interessierte zu aktiven Mitforscher:innen werden. Ein Beispiel für eine solche Anwendung ist ein persönlicher Einkaufsassistent, der Menschen dabei hilft, nachhaltigere Konsumentscheidungen zu treffen. Der dreistufige Prozess – Wertfindung, technische Umsetzung und Integration – sorgt dafür, dass gemeinschaftliche Werte nicht nur artikuliert, sondern auch tatsächlich im System verankert werden. Es gibt jedoch noch Herausforderungen, wie z. B. die Machtasymmetrie zwischen Unternehmen und Bürger:innen, Zeitdruck bei der Entwicklung, kulturelle Unterschiede sowie technische Konflikte. Wie lässt sich beispielsweise ein abstrakter Wert wie „Fairness” in Algorithmen übersetzen? Trotz dieser offenen Fragen ist diese Idee – gerade im Kontext wachsender gesellschaftlicher Anforderungen an Technologien – nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig.
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Eine nüchterne Alternative
AI as Normal Technology, Knight First Amendment Institute, 15.4.2025
Täglich begegnen uns alarmierende Schlagzeilen zur KI. Die Forscher Arvind Narayanan und Sayash Kapoor schlagen jedoch vor, KI als „normale Technologie“ zu betrachten – ähnlich wie Elektrizität oder das Internet. Ihr Kernargument ist, dass KI-Methoden zwar schnell weiterentwickelt werden, ihre tatsächliche Verbreitung aber sehr viel langsamer erfolgt. So werden bei sicherheitskritischen Anwendungen oft jahrzehntealte statistische Verfahren verwendet, da sie zuverlässiger sind. Die Autoren verweisen auf historische Beispiele wie die Elektrifizierung, die Jahrzehnte dauerte, bis sich die Produktivitätsvorteile voll entfalteten. Damit hinterfragen die Autoren auch die Idee der Superintelligenz. Ihrer Meinung nach wird KI niemals „intelligenter“ sein als Menschen mit KI-Unterstützung. Sie setzen auf Kontrolle durch bewährte Techniken wie Audits und Überwachung, denn mit zunehmender Automatisierung wird sich ein größerer Teil der menschlichen Arbeit auf die Steuerung von KI-Systemen verlagern. Bei Risiken wie technologischem Wettrüsten verweisen sie auf historische Beispiele, die zeigen, dass regulatorische Lösungen funktionieren, und führen am Beispiel selbstfahrender Autos aus, dass Sicherheit oft ein Wettbewerbsvorteil ist. Ihr Ansatz setzt auf bewährte Prinzipien der Technikgestaltung, Regulierung und demokratischen Kontrolle – und bietet damit einen sachlichen Gegenentwurf zum weitverbreiteten Hype.
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Lords bremsen umstrittene KI-Pläne aus
House of Lords pushes back against government’s AI plans, The Guardian, 12.5.2025
Das britische Oberhaus hat erneut gegen Regierungspläne gestimmt, die KI-Firmen leichteren Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken ermöglichen würden. Mit 272 zu 125 Stimmen unterstützten die Lords einen Änderungsantrag, der KI-Unternehmen zur Offenlegung zwingen würde, welche geschützte Werke sie in ihren Modellen verwenden. Die Abstimmung folgt auf einen offenen Brief von Hunderten Künstler:innen und Organisationen – darunter Paul McCartney, Jeanette Winterson und Dua Lipa – die den Premierminister aufforderten, „unsere Arbeit nicht auf Geheiß mächtiger ausländischer Technologieunternehmen zu verschenken“. Lady Kidron, eine unabhängige Abgeordnete, die den Änderungsantrag einbrachte, betonte: „Kreative leugnen nicht den Wert der KI, aber wir lehnen die Behauptung ab, dass wir KI mit unserer Arbeit kostenlos entwickeln und dann von denen, die sie gestohlen haben, zurückmieten müssen.“ Der Gesetzentwurf geht nun zurück ins Unterhaus. Entfernt die Regierung den Änderungsantrag, droht nächste Woche eine weitere Konfrontation im Oberhaus.
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KI: Der digitale „Kolonisator”?
How AI could help safeguard Indigenous languages, The Conversation, 11.5.2025
Als Folgen von Kolonialisierung, Globalisierung und erzwungener Assimilation sind weltweit rund 3.000 Sprachen vom Aussterben bedroht. Kann KI dabei helfen, diese Vielfalt zu bewahren? Die meisten KI-Chatbots werden nämlich nur mit etwa 100 der circa 7.000 Weltsprachen, darunter vor allem Englisch, trainiert. Im Artikel finden sich Beispiele von Menschen, die sich für die Entwicklung von Technologien gegen Sprachverlust einsetzen. Auf den Philippinen hat die KI-Wissenschaftlerin Anna Mae Yu Lamentillo beispielsweise die Übersetzungs-App „NightOwlGPT“ entwickelt, die neun teils vom Aussterben bedrohte Sprachen unterstützt. Der Linguistikprofessor Emmanuel Ngué Um fasst die besonderen Herausforderungen zusammen: „Viele Sprachen haben verschiedene Dialekte ohne standardisierte Schreibweise oder konkurrierende Schriftsysteme aufgrund postkolonialer Veränderungen.“ Für die Zukunft sind durchdachte Ansätze nötig, die die Besonderheiten der Sprachen berücksichtigen. KI-Tools könnten zum Lernen und Kommunizieren in ressourcenarmen Sprachen zum Standard werden, vorausgesetzt, es gibt finanzielle Unterstützung, genaue Trainingsdaten und Akzeptanz in den Gemeinschaften. Entscheidend bleiben Datenhoheit und gleichberechtigter Zugang, denn nur so lassen sich Machtasymmetrien in der Entwicklung von KI-Systemen zumindest teilweise abbauen.
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Der neue Papst und die KI
Pope Leo signals he will closely follow Francis and says AI represents challenge for humanity, CNN, 10.5.2025
Als weißer Rauch über dem Vatikan aufstieg, wartete die Welt gespannt auf die Verkündung des neuen Kirchenoberhauptes. Der frisch gewählte Papst Leo XIV. thematisierte gleich in seiner ersten Ansprache KI als eine der größten Herausforderungen für Arbeiter:innen und die Menschenwürde im Allgemeinen. Robert Prevost aus Chicago – übrigens der erste US-Amerikaner auf dem Papstthron – wählte seinen Namen ganz bewusst, um an die Tradition von Papst Leo XIII. anzuknüpfen, der sich bereits mit den sozialen Fragen der ersten industriellen Revolution auseinandersetzte. Diese neuen technologischen Entwicklungen brächten, so der neue Papst, eben auch „neue Herausforderungen für die Menschenwürde, Gerechtigkeit und Arbeit“ mit sich. Der Vatikan schließt sich damit den vielen Stimmen an, die bei der KI-Entwicklung ethische Leitplanken fordern. Die spannende Frage ist jetzt: Wird die katholische Kirche unter Papst Leos Führung den Techwandel wirklich kritischer begleiten und energischer für menschliche Werte eintreten als bisher?
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