Länderbericht Sachsen

Fazit

Die Wirtschaftsstruktur in Sachsen unterstreicht die hohe Bedeutung einer beruflichen Ausbildung auf der mittleren Qualifikationsebene für die dort ansässige Wirtschaft. Damit werden Fragen der Fachkräftesicherung in erster Linie auch an die berufliche Bildung adressiert werden, die für Sachsen ambivalente Entwicklungen zeigt. Zu den Herausforderungen, für die Berufsbildungspolitik und Akteure der beruflichen Bildung angemessene Lösungen werden finden müssen, gehören vor allem die schwierigen Rahmenbedingungen auf dem Ausbildungsstellenmarkt mit einem Auseinanderdriften der Regionen, die Monoberufsstruktur im Schulberufssystem und die Integration von ausländischen Jugendlichen und nicht zuletzt die demografische Entwicklung, die mit Sorgen auf eine künftige Fachkräftesicherung blicken lässt, auch wenn in den jüngeren Kohorten eine Stabilisierung der demografischen Entwicklung eintritt. Im Einzelnen sind folgende Problemlagen zu konstatieren:

Trotz einer Verbesserung des Ausbildungsstellenmarkts zwischen 2013 bis 2015 besteht in Sachsen auch 2015 nach wie vor eine Angebotsunterdeckung, die in einzelnen Regionen ein recht kritisches Ausmaß annimmt. Eine besondere Herausforderung dürfte dabei für die Berufsbildungspolitik sein, kurzfristig auf sehr starke Schwankungen im Ausbildungsangebot zu reagieren. So stürzt in einzelnen Arbeitsagenturbereichen innerhalb von 3 Jahren die ANR um 10 bis 15 Prozentpunkte, was vor allem auf einen deutlichen Rückgang der Ausbildungsangebote in den Regionen zurückzuführen ist. Hier ist Berufsbildungspolitik gefragt, kurzfristig alternative Angebote verfügbar zu machen, um auf so starke Schwankungen zu reagieren. Wird diesem Trend nicht entgegengewirkt, ist eine Verengung von Ausbildungschancen und Berufswahloptionen zu befürchten, die sich angesichts des Verhältnisses der 5- bis 14-Jährigen zu den 15- bis 24-Jährigen (108 %) mittelfristig bei der jetzigen jüngeren Kohorte bemerkbar machen könnte. 

Die Verengung von Berufswahloptionen lässt sich auch deutlich am Schulberufssystem zeigen, das in Sachsen nahezu ausschließlich Angebote in den Bereichen Gesundheit, Erziehung und Soziales umfasst. Diese Angebote werden traditionell vorwiegend von Frauen genutzt, für Männer stellt damit das Schulberufssystem nur begrenzt alternative Ausbildungsmöglichkeiten zu einer dualen Ausbildung zur Verfügung. Diese Situation stellt neue Anforderungen auch an die Berufsorientierung von Jugendlichen, die nicht einfach zu bewältigen ist, impliziert sie doch eine Abkehr von traditionellen geschlechtsspezifischen Berufsbildern. Aber dieser Aufgabe werden sich Bildungs- und Berufsbildungspolitik sowie Akteure an den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen und der Berufsberatung stellen müssen, um Tendenzen einer sozialen Exklusion vorwiegend männlicher Jugendlicher und von Personen mit niedrigem Schulabschluss entgegenzuwirken.

In diesem Sinne sind Fragen der Leistungsfähigkeit auch unmittelbar verwoben mit Aspekten der sozialen Chancengleichheit. Eine Gruppe, die in Sachsen erhebliche Benachteiligungen bei der Einmündung in Ausbildung erfährt, sind ausländische Jugendliche, die zudem das Gros der Erhöhung der Neuzugänge in die berufliche Bildung vor allem im Übergangssektor darstellen. Durch die zugewanderten Schutz- und Asylsuchenden bestehen einerseits zusätzliche Chancen, dem demografischen Trend, der eine langfristige Fachkräftesicherung konterkarieren kann, entgegenzuwirken. Andererseits setzt dies voraus, dass genau diese Gruppen, die in Sachsen besondere Hürden beim Ausbildungszugang und bei der Integration in die Gesellschaft hinnehmen müssen, besser gefördert werden. Dies stellt eine besondere Herausforderung für Sachsen dar, weil – ähnlich wie in allen ostdeutschen Flächenländern – nur bedingt auf Erfahrung im Umgang mit Neuzugewanderten im beruflichen Bildungssystem zurückgegriffen werden kann (vgl. Abs. 3.4). Schlägt die berufliche Integration der etwa 15.000 Neuzugewanderten in Sachsen fehl, dürften sich die ohnehin schon erkennbaren Probleme einer sozialen Exklusion (z. B. die gestiegene Jugendarbeitslosigkeit in Ballungszentren; die deutlich schlechtere Arbeitsmarktintegration von ausländischen Ausbildungsabsolventen in Sachsen, vgl. Abs. 5.4.1)) nochmals drastisch erhöhen. Die damit einhergehenden Folgen für die soziale Kohäsion in der Region, aber auch die absehbaren Konsequenzen der langfristigen Sicherung des Fachkräftenachwuchses können nicht im Interesse des Bundeslandes sein.

 

Autoren: Prof. Dr. Martin Baethge, Dr. Maria Richter (Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen, SOFI); Prof. Dr. Susan Seeber, Dr. Meike Baas, Dr. Christian Michaelis, Robin Busse (Universität Göttingen).