Auf dem Bild ist das Stadtbild von Groningen (Niederlande) zu sehen

Einsatzbereitschaft deutscher Unternehmen groß, aber Potenzial nicht ausgeschöpft

Zwei von drei deutschen Unternehmen engagieren sich gesellschaftlich – und das über gesetzliche Vorgaben hinaus, beispielsweise für ihre Region oder eine gelungene Integration. Die sogenannten "Corporate Citizens" könnten noch effektiver dabei sein, doch ihr Engagement ist nicht professionalisiert und wird oft nicht anerkannt.

Für knapp zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland ist regelmäßiges gesellschaftliches Engagement gelebte Praxis. Neun von zehn Unternehmensvertretern sind der Meinung, Unternehmen sollten als Vorbilder wieder stärkere Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen. Doch die meisten Firmen professionalisieren ihren sozialen Einsatz nicht. Ein Grund könnte die fehlende Anerkennung von Gesellschaft und Politik sein. Das ist ein Ergebnis einer repräsentativen Umfrage in der deutschen Wirtschaft, die wir in Zusammenarbeit mit dem Stifterverband durchgeführt haben. In der Studie wurden erstmals mehr als 100.000 zufällig ausgewählte Unternehmen zu ihrem gesellschaftlichen Engagement befragt. Mehr als 7.000 von ihnen haben geantwortet.

Großes Engagement in der Deutschen Wirtschaft – aber Ziele und Strategien fehlen

Als wichtige gesellschaftliche Herausforderungen vor Ort benennen die Unternehmen eine ganze Reihe von Themen: die Gestaltung einer lebenswerten Region (18 Prozent), die Folgen des demografischen Wandels (15 Prozent), gelungene Integration (14 Prozent), die Reduzierung von Armut (zwölf Prozent) sowie der Schutz von Klima und Umwelt (zehn Prozent).

Die am weitesten verbreitete Form, sich gesellschaftlich zu engagieren, ist die Geldspende (80 Prozent). Auf Platz zwei rangieren Sachspenden (70 Prozent), gefolgt von Mitarbeiterfreistellungen (56 Prozent). Doch die Daten zeigen: Die meisten Werte halbieren sich bei der Frage: Was davon passiert regelmäßig? Großunternehmen nutzen diese und weitere Engagementformen wie eine nachhaltige Geldanlage oder eigene gesellschaftliche Projekte unter Einbindung der eigenen Mitarbeiter. Sie engagieren sich somit zielorientierter als kleinere Unternehmen, und das vor allem im Bildungs- oder Wissenschaftsbereich. Bei kleineren Mittelständlern ist die Entscheidung für den gesellschaftlichen Einsatz dagegen oftmals abhängig vom Engagement der Mitarbeiter. Sie sind vor allem im Sport (z.B. Spende für den lokalen Fussballverein) oder im Bereich Freizeit und Geselligkeit (z.B. Mitarbeitereinsatz auf Bürgerfesten) aktiv.

Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass das Engagement der meisten Unternehmen nicht strategisch verankert ist. Selten gibt es eine unternehmerische Zielsetzung mit Blick auf gesellschaftliches Engagement. Nur wenige Unternehmen wissen zudem, wie ihr Engagement wirkt: Selbst unter großen Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern geben nur 16 Prozent an, dass sie ihr gesellschaftliches Engagement evaluieren.

In vielen Fällen findet Engagement außerdem in nicht kooperativen Strukturen statt, sondern als einzelne Entscheidung des Unternehmers. Wer regelmäßig kooperiert, tut dies mit lokalen Vereinen (48 Prozent). Die systematische Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen findet in den seltensten Fällen statt (7 Prozent).

Keine Anerkennung, bürokratische Hürden und ein fehlendes Netzwerk

Unabhängig von der Organisationsgröße gibt die Mehrheit der befragten Unternehmen an (76 Prozent), dass die Politik ihr Engagement nicht anerkennt. Gerade kleinere Mittelständler würden Steuererleichterungen und Bürokratieabbau begrüßen, damit sie ihr Unternehmensengagement stärken können. Doch neben diesen Rahmenbedingungen appellieren die Unternehmen auch an die Kunden, Kaufentscheidungen stärker vom gesellschaftlichen Verhalten der Unternehmen abhängig zu machen.

Wer kann etwas ändern?

Erfolgreiches gesellschaftliches Engagement von Unternehmern lebt von deren intensiver Vernetzung mit der Region und seinen Bürgern sowie dem sachbezogenen, fairen Dialog zwischen den Interessensvertretungen."

Liz Mohn, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung

Voraussetzungen dafür seien Vertrauen und Verantwortung, Respekt und Wertschätzung. Dann könne ein Schatz gehoben werden, mit dem die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit gemeistert werden und das Unternehmen würde ein Gesicht in der eigenen Region erhalten, betont Mohn.

Um das Potenzial des unternehmerischen Engagements stärker für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen zu nutzen, müssen unterschiedliche Akteure handeln und Verantwortung übernehmen. Gefragt sind hier zuerst die Unternehmen selbst, aber auch Vertreter der Politik und Zivilgesellschaft:

  • Unternehmen sollten ihre Ziele auch beim Thema Unternehmensengagement festlegen und definieren, wie diese erreicht werden können. Im Idealfall geschieht das nicht alleine, sondern in Netzwerken. Neben selbstorganisierten Kooperationen sollten auch die kommunalen Wirtschaftsförderungen Maßnahmen entwickeln, um die Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Organisationen zu erleichtern.
  • Die Bundes- und Landespolitik sollte bürokratische und fiskalische Hürden beim gesellschaftlichen Engagement systematisch überprüfen. Steuererleichterungen für einzelne Projekte oder der Abbau von allgemeinen Belastungen wie aufwendige Dokumentationspflichten, schnell wechselnde Rechtslagen, Komplexität und Besteuerung des innergemeinschaftlichen Handels könnten erste Maßnahmen sein.
  • Kunden könnten ihre Kaufentscheidungen vom gesellschaftlichen Verhalten eines Unternehmens abhängig machen, dann würden Unternehmen auch anders agieren.

Unter diesen Voraussetzungen können Firmen wichtige Akteure einer vielfältigen Zivilgesellschaft werden, die weder abhängig vom Staat, noch von der Wirtschaft ist: "Ohne die Unternehmen geht es eben nicht. Eine starke Zivilgesellschaft braucht engagierte Unternehmen. Dabei kommt es zu Kooperationen und auch mal zu Konfrontationen und beides ist für unser Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell wichtig, Zusammenarbeit und Kritikfähigkeit.", so Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbandes.