Blick auf eine Karte des afrikanischen Kontinents. Darauf liegt eine Lupe, die die Karte des Südsudan vergrößert.

Der jüngste Staat der Welt versinkt in neuer Gewalt

Der tragische Terroranschlag in Nizza und die Nachrichten aus der Türkei haben den Südsudan wieder aus dem Blickfeld der westlichen Medien verdrängt. Doch die Lage im ostafrikanischen Staat bleibt auch im fünften Jahr der Unabhängigkeit angespannt. Die jüngsten Gewaltausbrüche schlugen Zehntausende Südsudanesen in die Flucht.

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Text von Sabine Donner. Die Autorin ist Projektmanagerin in unserem Projekt "Transformationsindex BTI".

Am 9. Juli 2011 hatte sich der Südsudan nach mehr als 20 Jahren Bürgerkrieg vom Sudan gelöst und wurde damit zum jüngsten Staat der Welt. Der fünfte Jahrestag der Unabhängigkeit hätte eigentlich ein Grund zum Feiern sein sollen. Stattdessen kam es in der Hauptstadt Juba zu heftigen Gefechten zwischen Anhängern von Präsident Salva Kiir und seinem Stellvertreter Riek Machar, bei denen Schätzungen zufolge mehr als 300 Menschen getötet wurden. Der Ausbruch der Gewalt nährt die Angst, dass das Land erneut am Rande des Abgrunds stehen könnte.

Ein Machtkampf

Bereits im Dezember 2013 mündete der erbitterte innerparteiliche Machtkampf zwischen Kiir und Machar, deren Milizen einst Seite an Seite gegen den Norden gekämpft hatten, in einem blutigen Bürgerkrieg. Kiir entließ Machar im Juli 2013 nach dessen Ankündigungen, bei den ersten nationalen Präsidentschaftswahlen des jungen Staates gegen den Amtsinhaber anzutreten. Wie so oft überschneiden sich die Konfliktlinien: Schnell weitete sich der machtpolitische Konflikt zu einem ethnischen aus. Präsident Kiir ist Angehöriger der Dinka, der größten Volksgruppe des Südsudans, sein Kontrahent Machar ist ein Vertreter der Nuer, der zweitgrößten Ethnie des Landes.

"Die Menschen haben das Gefühl, dass die Regierung ausschließlich mit dem eigenen Machterhalt beschäftigt ist – auf Kosten der Bevölkerung."

Transformationsindex BTI, Länderbericht Südsudan

Erst im August 2015 beendete ein Friedensabkommen den Bürgerkrieg, seit Frühjahr 2016 stehen die einstigen Rivalen Kiir und Machar wieder gemeinsam an der Spitze des jungen Staates.  Die Gewalt auf beiden Seiten hatte indes verheerende Folgen: Zehntausende Menschen wurden getötet, mehr als 2,5 Millionen Südsudanesen sind vor dem Bürgerkrieg geflüchtet, viele davon in die ostafrikanischen Nachbarländer, fast eine Million Menschen sind laut UN-Flüchtlingshilfswerk im eigenen Lande entwurzelt. Rund fünf Millionen Menschen - fast die Hälfte der Bevölkerung  - sind inzwischen auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen. Die Erdölproduktion, die jährlich rund sechs bis sieben Milliarden Dollar in die Staatskassen spülen könnte, wurde derweil durch den Bürgerkrieg unterbrochen.

Politischer Generationswechsel nötig

Der BTI-Länderbericht für den Südsudan schildert nicht nur die Hintergründe der gewaltsamen Auseinandersetzungen, sondern beschreibt auch das Klima der Angst, des Misstrauens und der Gewalt, das in der südsudanesischen Gesellschaft vorherrscht. Wie brüchig der Frieden ist, hat die jüngste Gewalteskalation in der Hauptstadt gezeigt. Die Rivalen Kiir und Machar  haben inzwischen versichert, die Lage unter Kontrolle gebracht zu haben. Unsere Experten für die Bewertung von demokratischen Entwicklungen werfen jedoch die Frage auf, wieviel Staat mit den wenig kompromissbereiten alten Eliten zu machen ist – ihrer Meinung nach, bräuchte das Land einen politischen Generationswechsel.

Entwicklung war anfangs vielversprechend

Rund 65 Prozent der Bevölkerung sind unter 25 Jahre alt. In den Jahren vor dem Bürgerkrieg war eine Reihe gut ausgebildeter Südsudanesen in ihr Heimatland zurückgekehrt, um den jungen Staat mit aufzubauen. Auch die wirtschaftlichen Reformschritte in den ersten Monaten der Unabhängigkeit waren durchaus vielversprechend, bevor interne politische Machtkämpfe und Gewalt die weitere Entwicklung des Landes lähmten. Zivilgesellschaft und Kirchen haben schon in der Vergangenheit bewiesen, dass sie eine wichtige Rolle im Rahmen des dringend notwendigen Versöhnungsprozesses spielen können.

Es braucht Reformen

Die Reformen, die jetzt Priorität haben müssten – Sicherheit, Versöhnung zwischen den Ethnien, der Ausbau wirtschaftlicher Strukturen und die Stärkung demokratischer Institutionen – setzen ein Vertrauen der Bevölkerung voraus, das in den Jahren seit der Unabhängigkeit weiter erschüttert wurde. Bevor diese Minimalbedingungen jedoch nicht erfüllt sind, kann die Gewalt im Südsudan jederzeit wieder eskalieren.

Über unsere Serie

Unsere BTI-Sommerserie widmet sich in regelmäßigen Abständen Transformationsstaaten und Entwicklungsländern. Teil eins untersuchte die aktuelle Situation in Bangladesch. Im Fokus der weiteren Analysen stehen die Slowakei und Brasilien.