Archivaufnahme von Lord Weidenfeld beim International Bertelsmann Forum 2004 in Berlin. Er sitzt lächelnd an einem Tisch, vor ihm steht ein Mikrofon.

Zum Tod von Lord Weidenfeld of Chelsea

Der Verleger und Diplomat George Weidenfeld, der 96-jährig diese Woche in London verstarb, war seiner Zeit voraus – ja, in gewisser Weise war er jeder Zeit voraus. Ein Nachruf auf einen engagierten und kritischen Wegbegleiter.

Der Verleger und Diplomat George Weidenfeld, der 96-jährig diese Woche in London verstarb, war seiner Zeit voraus – ja, in gewisser Weise war er jeder Zeit voraus: Er war schon Weltbürger, als die Globalisierung noch ein fernes Zukunftsversprechen schien. Und er war bereits ein begnadeter Netzwerker, lange bevor mit der Digitalisierung es heute jedem leicht gemacht wird, über die sozialen Medien jederzeit und von jedem Punkt der Erde aus in Kontakt zu treten. Dabei zeichnete ihn aus, dass er nicht bloß Meinungen hatte, sondern für Überzeugungen stand. Das verschaffte ihm Ansehen und Vertrauen.

Wir in der Bertelsmann Stiftung haben ihn als geistreich, großzügig, im besten Sinne unkonventionell und stets offen für Neues kennen und schätzen gelernt. In den über 30 Jahren des Gedankenaustausches mit ihm haben wir wichtige Impulse für unsere Arbeit erhalten.

Im Mittelpunkt seines Engagements stand der Dialog zwischen Christen und Juden. Lord Weidenfeld, der unter tragischen Umständen 1938 vor den Nazis von Wien nach London fliehen musste, setzte sich schon früh für die Verständigung zwischen Deutschland und Israel ein. Auf seine Initiative ging der Deutsch-Jüdische Dialog der Bertelsmann Stiftung zurück. Er wollte die Gräben des Zweiten Weltkriegs überwinden helfen und ein aufgeklärtes, tolerantes und friedliches Europa bauen.

Ausgleich und Versöhnung, wenn auch nie zum Preis der Beschönigung, waren seine Themen, mit denen er sich immer wieder eindrucksvoll in den Debatten des Internationalen Bertelsmann Forums oder den Kronberger Gesprächen über den Nahostkonflikt zu Wort meldete.

Lord Weidenfeld verstand es, wie vielleicht kein Zweiter, Menschen zusammenzubringen. Er war der Initiator und Gastgeber ungezählter vertraulicher Gesprächsrunden, in denen sich jenseits von Aktenlagen und professionellen Zwängen frei diskutieren und nach Lösungen suchen ließ. Beispielhaft steht hierfür der "Club of Three", der einflussreiche Politiker, Intellektuelle sowie Wirtschafts- und Medienvertreter aus Frankreich, England und Deutschland verband. Die Bertelsmann Stiftung hat diese Gesprächsrunden immer wieder durch eigene Projekte vorbereitet und viele Lehren daraus gezogen.

Mit Lord Weidenfeld verliert die Bertelsmann Stiftung einen engagierten und kritischen Wegbegleiter, der nicht zu ersetzen ist.