Eine Diskussionsrunde beim Kommunalkongress 2015 in Berlin: Die Teilnehmer der Diskussion sitzen an zwei Tresen auf einem Podium

"Da hilft die beste Konjunktur nichts"

Wie künftig Spielräume für das eigenständige Handeln geschaffen werden können, um die kommunale Selbstverwaltung zu gewährleisten, darüber gingen die Meinungen auf dem 9. Kommunalkongress 2015 der Bertelsmann Stiftung weit auseinander. Das Thema Finanzen zog. Mit rund 550 Teilnehmern war der Kongress in Berlin ausgebucht.

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Dass die Kommunen eine solide Finanzausstattung als Grundvoraussetzung für kommunale Handlungsfähigkeit benötigen, daran ließ Dr. Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, zum Auftakt der Veranstaltung am Montag keine Zweifel aufkommen. "Wir brauchen und unterstützen den Dialog für ein gutes Gelingen", sagte Mohn. "Überall wächst Ungleichheit", erklärte Aart De Geus, und das "ist für alle Kommunen ein Thema". Der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung hielt es deshalb für den richtigen Moment, sich intensiv über das Thema Kommunalfinanzen auszutauschen.

Ausreichend Zündstoff für eine Diskussion lieferten die 19 Referenten aus dem kommunalen Sektor, der Bundes- und Landespolitik, Unternehmen, der Wissenschaft sowie der Bertelsmann Stiftung.

Dr. René Geißler, Projektmanager kommunale Finanzen im Programm LebensWerte Kommune der Bertelsmann Stiftung, stellte seine Analysen zur Situation der Kommunalfinanzen vor. Er hatte die Ausgaben- (Finanzierungssalden und Kassenkredite) wie die Einnahmeseite (Gemeindesteuern) von rund 400 Kommunen (Kreise und kreisfreie Städte) in Deutschland über einen sechsjährigen Zeitraum (2008 bis 2013) genauer angeschaut. Danach lässt das konjunkturelle Auf und Ab auf der Deutschlandkarte der kommunalen Finanzkraft deutliche Ungleichheiten erkennen. Die Finanzkrise 2008 hat die Strukturprobleme in den Kommunen mit hoher Kassenkreditverbindlichkeit verschärft. "Da hilft die beste Konjunktur nichts", so Geißler. Die Ursachen führte der Finanzexperte unter anderem auf den breiten Ausgabenkatalog für soziale Leistungen zurück. Ein Vergleich an dieser Stelle sei allerdings nicht möglich, weil es keine einheitlichen Standards gebe. Beispielswiese unterliegen die Ausgaben für Kindertagesstätten in Standards und Finanzierungen dem jeweiligen Landesrecht. Und gerade die KiTa-Ausgaben sorgten für eine Verdoppelung der Ausgaben von elf auf 22 Milliarden Euro in nur sieben Jahren (2006-2013).

Ein Tatbestand, den Dr. Michael Thöne vom Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitut an der Kölner Universität bestätigte: "Es gibt zu große Unterschiede, um einheitliche Standards zu definieren und im Anschluss untersuchen zu können." Dennoch sah Uwe Lübking, Dezernent beim Deutschen Städte- und Gemeindebund, "nur dann eine Entlastung für die Kommunen, wenn die Ausgabendynamik im Bereich der Sozialausgaben gebremst wird".

Wer soll nun künftig die passenden Finanzhilfen trotz Schuldenbremse leisten? Das Spannungsverhältnis, finanzielle Forderungen auch direkt an den Bund zu adressieren bei gleichzeitiger Unantastbarkeit der kommunalen Selbstständigkeit, konnte am Ende des Kongresses nicht vollständig aufgelöst werden. Aus der umfänglichen Geber-Nehmer-Diskussion blieb für Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, die wesentliche Erkenntnis: "Es gibt keinen Punkt, in dem sich die Länder einig sind, bis auf den einen: Der Bund soll alles bezahlen". Zu grundlegenden Änderungen im Länderfinanzausgleich sagte er eindeutig "Nein". Der habe sich bewährt und sei so schlecht nicht.