Eine Frau benutzt am Stand der Bertelsmann Stiftung auf dem Bürgerfest des Bundespräsidenten am 6. September 2014 in Berlin auf einem Tablet-PC die App "Welcher Engagement-Typ sind Sie?"

"Engagement entsteht immer dann, wenn es zum Leben passt"

Menschen können sich auf vielfältige Weise freiwillig engagieren. Den eigenen Engagement-Typen zu entdecken, dazu lädt die Bertelsmann Stiftung nun auf dem Bürgerfest des Bundespräsidenten. Bettina Windau, Direktorin des Programms "Zukunft der Zivilgesellschaft", erzählt im Interview, wie es funktioniert.

Aktiv mitwirken, spenden oder nichts tun. Freiwillig engagieren können Menschen sich auf vielfältige Weise oder eben auch gar nicht. Den eigenen Engagement-Typen zu entdecken, dazu lädt die Bertelsmann Stiftung nun auf dem Bürgerfest des Bundespräsidenten am "Ort der Begegnung". Bereits zum dritten Mal veranstaltet Bundespräsident Joachim Gauck das Fest im Park und dem Schloss Bellevue in Berlin, um zivilgesellschaftliches Engagement zu würdigen.

Frau Windau, wie genau findet man eigentlich heraus, was für ein Engagement-Typ man ist?

Beim Bürgerfest gibt es einen kleinen interaktiven Fragebogen, der auf einem Tablet läuft. Damit können die Gäste herausfinden, welche Themen ihnen wichtig sind und welche Art von Engagement sie bevorzugen. Ist es eher das tatkräftige Mithelfen oder ist es eher das Spenden? Möglicherweise ist man auch generell bereit zum Engagement, hat aber noch nicht den richtigen Einstieg gefunden. Es gibt ja auch Menschen, die gerne etwas für das Gemeinwohl machen möchten, aber noch nicht ein für sie interessantes Feld oder die richtige Organisation gefunden haben.

Was passiert, wenn ich herausgefunden habe, was für ein Engagement-Typ ich bin?

Wenn die Gäste diesen ungefähr vierminütigen Fragebogen ausgefüllt haben, erhalten sie zunächst eine Karte, auf dem ihr individueller Engagement-Typ beschrieben wird. Zudem werden sie an einen Tisch weitergeleitet, an dem man auf Gleichgesinnte und einen Tischpaten trifft. Hier können die Gäste dann ihr eigenes Engagement darstellen, die Aktivitäten von anderen kennen lernen, man kann seine Fragen loswerden, Verbesserungsvorschläge machen und man lernt vielleicht von anderen am Tisch etwas dazu. Letztlich entsteht Engagement ja immer dann, wenn es zum Leben passt, wenn jemand auch selber sieht: Es ist etwas, was mir gefällt, was mir auch Nutzen bringt. Da die meisten Gäste aus Berlin kommen, entstehen im besten Falle vielleicht sogar längerfristige Kontakte. Zudem gibt es am "Ort der Begegnung" zahlreiche Info-Tafeln, die interessante und motivierende Fakten über die Zivilgesellschaft darstellen, Adressen in Berlin bereit halten und auch einige Berliner Akteure der Zivilgesellschaft portraitieren. 

Welche Engagement-Typen weist der Test denn eigentlich aus?

Wir wissen aus der Forschung, dass sich ungefähr ein Drittel der bundesdeutschen Bevölkerung freiwillig engagiert. Ein weiteres Drittel wäre dazu bereit, wenn die Umstände passend sind.

Es gibt ja zum Beispiel Personen, die schon seit früher Jugend engagiert sind und damit sehr zufrieden sind. Das sind die Botschafter des Engagements. Sie haben ihr Engagement bereits gefunden und tun das, was sie machen, mit Begeisterung.

Es gibt zudem auch Menschen, die sich engagieren – die aber finden, es könnte noch besser laufen. Sie haben noch offene Fragen und Beratungsbedarf. Oft haben diese Menschen das Gefühl, dass Dinge auf sie zukommen, bei denen sie Hilfe und Unterstützung gebrauchen könnten.

Ein weiterer Typus sind Menschen, die ein Anliegen haben, aber nur sehr wenig Zeit zur Verfügung. Dann wäre zum Beispiel die Frage: Welche Organisation arbeitet genau zu diesem Thema? Kann und will ich an diese Organisation vielleicht spenden oder unterstütze ich sie in irgendeiner Art und Weise, die zu meinem Zeitbudget besser passt?

Und dann gibt es natürlich auch Personen, die möchten für die Gesellschaft aktiv sein, mitwirken, etwas Gutes tun, haben aber noch gar keine Vorstellung darüber, was sie eigentlich machen wollen. Für sie ist es wichtig, verschiedene Optionen zu durchdenken, mit gemeinnützigen Organisationen oder Projekten in Kontakt zu kommen – dann können sie den Weg ins Engagement besser finden.

Und schließlich gibt es Menschen – auch wieder ein Drittel der Bevölkerung, die sagen: "Engagement ist im Moment nichts für mich." Manchmal finden diese Personen es aber dennoch interessant zu wissen, was durch gemeinnütziges Engagement alles bewegt werden kann. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen irgendetwas umtreibt, was in unserer Gesellschaft besser gemacht werden könnte. 

Und für all diese unterschiedlichen Gäste gibt es dann Information und Motivation und - wenn gewünscht - auch ein Hinleiten zu Engagement-Optionen.

Wie ist die Idee zur Veranstaltung entstanden?

Eckart von Hirschhausen, der die Veranstaltung schon zum wiederholten Male moderiert, rief eines Tages an und schlug vor, das Fest noch inhaltlicher zu gestalten. Bisher werden die Bürger für ihr Engagement wertgeschätzt. Gemeinsam mit Eckart von Hirschhausen und dem Bundespräsidialamt haben wir dann überlegt, über die Wertschätzung hinaus einen praktischen Nutzen für die Gäste zu entwickeln, damit sie nach Hause gehen können und denken: "Aha, ich habe interessante Menschen getroffen, ich habe jetzt etwas gelernt und ich kann etwas damit anfangen".

Joachim Gauck unterstreicht mit dem Bürgerfest die hohe Bedeutung des Ehrenamts für die Zivilgesellschaft. Sie selbst stehen mit dem Thema nicht nur beruflich in Verbindung, sondern setzen sich auch außerhalb der Stiftung in einer Bürgerstiftung für das Thema ein. Was genau bedeutet für Sie "freiwilliges Engagement"?

Ich glaube, dass man sich an dem Platz, an dem man steht, auch einbringen sollte - über den Gang zur Wahlurne hinaus. Wenn man möchte, dass sich die Dinge positiv entwickeln, dann sollte man sich dafür engagieren. Es ist eine bürgerliche Verantwortung, dass jeder mit seinen ganz eigenen Fähigkeiten einen Teil dazu beiträgt.

Es gibt aber auch eine angenehme Seite. Menschen, die sich engagieren, lernen eine Stadt, eine Gruppe von Menschen oder einen bestimmten Sachverhalt noch einmal besser kennen. Man trifft Leute, die man sonst nie getroffen hätte, man lernt Dinge, die man niemals so gesehen hätte, man hat eine Menge Freude dabei, wenn man helfen kann.

Hier in der Bertelsmann Stiftung denke ich beruflich darüber nach, wie die Zivilgesellschaft als Ganzes funktioniert. In meinem Engagement kann ich dann auch sehen, wie dies tatsächlich funktioniert, zum Beispiel in einer Bürgerstiftung, in der ich tätig bin. Die Bürgerstiftung ist für mich somit auch ein wenig ein Realitätscheck.

Zur Person
Bettina Windau arbeitet seit rund 20 Jahren in der Bertelsmann Stiftung und ist heute Direktorin des Programms "Zukunft der Zivilgesellschaft". Privat engagiert sie sich als Vorstandsvorsitzende für die Bürgerstiftung in Rheda-Wiedenbrück. Sie ist außerdem Vorstandsvorsitzende in einem Sportverein.